Sonntag, 6. November 2011

7. Tag

Die Laudes dauert heute Morgen so lange, als wollte der Pater sein Versäumnis von gestern nachholen. Als ich schon glaube, dass wir in Frieden entlassen sind, stimmt er noch den Engel des Herrn an, worauf mein Magen mit einem herzhaften Knurren antwortet. Aber das Frühstück läuft uns ja nicht davon und will verdient sein.

Zum morgendlichen Impuls hat Schwester Pia für uns eine Farbkopie des sehr schönen spätbarocken Gemäldes von Christus als Apotheker gemacht, das uns der Pater mitgebracht hat und das wir nun noch mal genauer betrachten. Meine Nachbarin flüstert mir zu, dass Jesus darauf einen ganz modernen Bart habe. Und tatsächlich sieht er wie eine Mischung aus Raver und Nerd aus. Ich muss mir das Lachen verbeißen und grinse sie nur an. Humor haben die Schwestern schon.

Bei der Eucharistie gibt es endlich mal Lieder, die selbst ich mit meinem liturgischen Halbwissen kenne und die zu meinen Lieblingsliedern gehören. Das ist ein schönes Geschenk für den letzten Tag. So langsam macht sich schon die Wehmut breit in mir, je öfter ich denke „zum letzten Mal…“.

Beim Mittagessen merke ich, dass mir doch zunehmend wieder weltliche Gedanken durch den Kopf gehen. So langsam tauche ich wieder aus der Versenkung auf. Aber ich habe auch das Gefühl, dass ich gefunden habe, was ich hier gesucht habe und nun seelensatt von hier weggehen kann. Es bleibt nur noch das große und umfassende Dankeschön, für das ich im Gebet einmal mehr auf die Psalmen zurückgreife.

Den letzten Impuls beschließt der Pater mit einem kurzen Film über die Vorbereitungen für das Taizé-Jugendtreffen, das in Berlin über den Jahreswechsel stattfindet. Und ich merke wieder, wie sehr Taizé mich im Innersten packt. Als Frère Alois, der jetzige Prior, davon spricht, dass die Jugendlichen erfahren sollen, dass sie vertrauen können, geht es mir durch und durch. Das ist genau das, was ich in dieser Woche hier einmal mehr so intensiv erfahren habe, dass da jemand ist, dem wir vertrauen können, der uns bedingungslos annimmt und liebt. Und wie oft wird diese so elementare Botschaft verschüttet, verzerrt, relativiert. Hinterher entspinnt sich noch ein Gespräch über Taizé und den Weltjugendtag und die fundamentalen Unterschiede zwischen beiden Veranstaltungen. Ich merke, dass Taizé auch hier niemanden unberührt lässt. Was die Brüder dort geschaffen haben, ist so unendlich wertvoll. Und ich beschließe in dem Moment, dass ich ganz sicher Anfang November zur Taizé-Lichternacht in die Agnes-Kirche gehen werde.

Und so habe ich einiges, was ich mit in mein Nachmittagsgebet mitnehmen kann, das diesmal sehr leidenschaftlich ausfällt. Bei Abendessen merke ich, wie ich von tiefer innerer Freude erfüllt bin. Genauso habe ich mich auch in den ersten Tagen hier gefühlt, und so schließt sich ein Kreis.

Eine letzte Abendandacht mit sehr schönen Gebeten und Psalmen. Fast scheint mir, als würde der Taizé-Film auch beim Pater noch nachklingen. Und das „Salve Regina“ kann ich bis auf wenige Textstellen nun auch auswendig mitsingen. Wer sagt es denn?
Sie wird mir fehlen, die Komplet, das weiß ich ganz sicher.

Vater, es ist alles gesagt zwischen uns für diesmal. In mir ist nichts als Dankbarkeit. Du hast dein Wort gehalten und dich von mir finden lassen.

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