Sonntag, 6. November 2011

6. Tag

Bei der Laudes fehlt der Pater immer noch. Aber Schwester Pia ersetzt ihn routiniert, und allzu viel Anleitung brauchen die meisten von uns ja ohnehin nicht. Als wir zum Frühstück kommen, sitzt der Pater bereits am Tisch, was die Schwestern belustigt zur Kenntnis nehmen, hatten wir im Morgenlob doch noch für ihn gebetet (das war mal eine Express-Gebetserhörung). Nur Schwester Pia ist flüsternderweise erbost und will den Pater gleich wieder ins Bett schicken. Erst als er versichert, fieberfrei zu sein, darf er gnädig bleiben. Es rührt mich, dass ausgerechnet sie, die sich mit ihrer starken Erkältung kein bisschen schont, sondern immer unermüdlich für alles sorgt, so fürsorglich ist. Hoffentlich finde ich Gelegenheit, ihr am Schluss einmal dafür zu danken.

Heute Vormittag sinne ich darüber nach, wie leicht mir das Schweigen fällt, wie natürlich und angenehm ich die Stille finde. Hier bin ich wirklich in meinem Element. Ich hätte vermutlich ohne weiteres ein Leben in Stille führen können, wenn es sich so ergeben hätte, und wäre damit nur dem gefolgt, was ohnehin in mir angelegt ist. Und trotzdem denke ich, dass es für mich besser war, auch meine kommunikative Seite zu entwickeln, auch wenn ich es darin nie zur Meisterschaft bringen werde. Wir leben nun mal in einer Welt, in der das Reden deutlich mehr Gewicht hat, als das Schweigen. Aber ich kann mit meinen diesbezüglichen Schwächen sehr viel besser leben, wenn ich erlebe, dass ich hier zur Abwechslung auch mal meine Stärke voll ausleben kann. Hier ist ein Ort, wo das Schweigen erwünscht und geschätzt ist. Und vielleicht gelingt es mir ja sogar, das, was ich hier im Schweigen erfahre, in irgendeiner Form in die Welt zu tragen und fruchtbar zu machen. Dann hat auch diese, scheinbar so unnötige Fähigkeit ihren Sinn.
Kurz darauf stolpere ich bei Jesus Sirach dann über diese Stelle: „eine Frau, die schweigen kann, ist eine Gabe Gottes“ (Sir. 26,1). Ich fürchte, zwar, dass hinter diesem Ausspruch die Klage eines genervten Mannes steckt, aber was soll’s. Es steht nun mal so da und bestätigt mich.

Mir bleibt auch nichts erspart! Heute gibt es Fencheltee zum Abendessen. Fencheltee, den ich zuletzt als bauchwehgeplagtes Kleinkind getrunken habe. Aber dann denke ich an den Heiligen Ignatius von Loyola, den geistigen Vater aller Exerzitien, der seinen Zöglingen nicht nur äußerste Mäßigung bei der Nahrungsaufnahme empfahl, sondern auch das Tragen härener Hemden, das Schlafen auf dem Fußboden und regelmäßige Selbstgeißelungen für probate Mittel der inneren und äußeren Läuterung hielt. Was ist dagegen schon ein Glas Fencheltee?

Vater, du hast mir deinen Abdruck in meinem Herzen gezeigt. Ich kann dir nicht mehr verloren gehen. Du bist immer bei mir, auch wenn ich deine Nähe mal nicht fühle

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